WingTsun steht für Selbstverteidigung, Gesundheit und Lifestyle. Viele Menschen machen es aber nicht nur aus diesen Gründen über viele Jahre hinweg. Hinter den Konzepten und Ideen des WingTsun stecken philosophische Gedanken, die das System gleichsam als Vehikel nutzen, um das Leben achtsamer und bewusster leben und – so gewünscht – ändern zu können.

Keine religiösen Ansichten, sondern Erleben und Erfahren des Lebens. Möglichkeiten, das Erlebte in sein Leben zu integrieren. Kurz: Persönlichkeitsentwicklung. In unserem Unterricht haben Politik und Religion nichts zu suchen. Jeder kann mit jedem trainieren. Damit wird unsere Kampfkunst gesellschaftsübergreifend. Sie dient der Verständigung und bringt Menschen zusammen.

WingTsun zur Zeit seiner Entstehung

WingTsun ist eine chinesische Kampfkunst, die entstand, als kulturelle Hintergründe – vor allem Religionen und Philosophien – einen großen Einfluss auf den Alltag der Menschen hatten. Sie wurde geprägt von drei Hauptströmungen: Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus. In den nächsten Artikeln versuchen wir zunächst, diese als Grundlagen und später im Hinblick auf WingTsun zu beleuchten. Unser erstes Thema ist der Buddhismus.

Kurze Geschichte des Buddhismus

Der indische Prinz Siddharta Gautama wurde um 560 v. Chr. geboren. Er verbrachte in Kapiavastu im heutigen Nepal eine wohlbehütete Kindheit. Allerdings wollte er irgendwann mehr vom Leben erfahren. Er unternahm nächtliche Ausflüge außerhalb des Palastes. Dort erlebte er die Vergänglichkeit des Lebens – sah das Leid der Menschen durch Krankheit und Verlust. Er fasste einen Entschluss: Mit 29 Jahren sagte er sich von seinem bisherigen Leben los. Er verließ sein Elternhaus, wurde Mönch und wanderte als Bettler und Einsiedler durch Nordindien. Damit wollte er zu innerer Ruhe, einer edlen Haltung und einem Leben ohne Hass gelangen.

Nach einem 6-jährigen Leben in strenger Askese und auf der Suche nach Frieden, gelangte er zur Erleuchtung als er unter einem Feigenbaum, dem heutigen Bodhi-Baum (Baum der Erkenntnis) meditierte. Er war von da an als Buddha, „der Erwachte“ bekannt und lehrte bis zu seinem 80. Lebensjahr seine Lehren: Bewusst und aufmerksam zu leben, die wahre Natur der Dinge zu erkennen, ohne Wünsche, Hoffnungen oder Erwartungen.

Er verkündete seine Lehre auf seinen Reisen und seine Gemeinschaft wuchs. Bruder- und Mönchsgemeinden wurden gegründet. Vor seinem Tod erklärte Buddha, dass alle seine Weisheiten auf den Mönch Mahakashyapa übergingen. Dieser wurde so zum ersten vieler nachfolgender buddhistischer Leitfiguren. Durch sein Wirken entstand der Zen-/Chan-Buddhismus.
Es hatten sich verschiedene Strömungen im Buddhismus gebildet, wie der sogenannte Hinayana-Buddhismus, der sich in weitere 18 Schulen aufteilte. Allerdings war es der Mahayana-Buddhismus, der zur Entstehung des Zen-/Chan-Buddhismus führte.
Dies als knapper Überblick über die Entstehung der umfangreichen Philosophie des Buddhismus.

Grundsätze der buddhistischen Lehre

Im täglichen Leben ist es für uns selbstverständlich, dass die Welt aus Dingen und Wesen besteht. Wir haben in unserer Sprache Wörter, um sie zu benennen. Der Buddhismus entwickelte bereits in diesem Punkt eine andere Vorstellung. Daher ist es für Europäer anfangs nicht immer leicht, die Ansätze zu begreifen.

In der buddhistischen Philosophie ist grundsätzlich alles in Wandlung und vergänglichNichts ist ewig. Berge tragen sich ab, verändern sich, da die Zeit relativ ist. Der griechische Philosoph Heraklit drückte es so aus: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“
Das Sein wird also als ein Prozess verstanden. Eine Frucht z. B. kann man zu einer bestimmten Zeit benennen – beispielsweise Kirsche. Aber dies ist eine Täuschung, da es nur eine Momentaufnahme des Zustands ist. Erst ist sie eine Blüte, wird zu einer Frucht, die ihre Farbe wechselt, bis sie schließlich rot ist, um dann wieder zu zerfallen. Viele Ursachen – Daseins-Faktoren – müssen zusammenkommen, damit überhaupt eine Kirsche entstehen kann. Die Umstände müssen stimmen: Sonne, Regen, bestäubende Bienen, usw.

Im Buddhismus dagegen ist es kein Zufall, dass diese Faktoren zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zusammenfinden. Es gibt eine innere Ordnung, ein übergeordnetes Prinzip, das den Kosmos durchdringt: Karma. Eine Absicht oder Handlung beeinflussen die Daseins-Faktoren. Sie verändern und es entsteht etwas Neues. Um das Karma zu verbessern, gibt es Richtlinien. Sie führen schließlich zu den vier Verweilungsstätten oder Geisteshaltungen: zu unermesslicher Liebe, unermesslichem Mitgefühl, unermesslicher Freude und unermesslichem Gleichmut. Der Mensch soll jeden dieser Geisteszustände der Reihe nach entwickeln und ausdehnen. Dies soll frei von Anhaftung, Ablehnung und Gleichgültigkeit geschehen, aber beseelt sein von Vergegenwärtigung und Achtsamkeit.

Vier edle Wahrheiten und Achtfacher Pfad

Aufgegriffen wird dies auch in der Schule des Buddhismus, die auf den vier edlen Wahrheiten und dem Achtfachen Pfad aufbaut:

Die vier edlen Wahrheiten sind:

  1. Alles auf dieser Welt ist Veränderung, stetiger Wandel und vergänglich.
    Selbst Monumente wie Berge sind nur vorübergehend. Da der Mensch jedoch die Tendenz hat, an Dingen, Beziehungen, Gedanken usw. festzuhalten, entsteht Leiden.
  2. Die Ursachen des Leidens sind Hass, Verblendung, Verlangen.
    Sehr vereinfacht ausgedrückt: Durch materielle oder emotionale Wünsche, Erwartungen oder Überzeugungen, die man über sich, seine Existenz und den Gedanken, sich von Leid und Kummer letztendlich befreien zu können, hat, leidet der Mensch.
  3. Das Leid kann überwunden werden.
    Durch Aufgabe der Ursache: Begierde und Verlangen. Damit ist letztendlich das Nirvana gemeint – ein Zustand tiefer innerer Ruhe und Friedens.
  4. Das Begehen des Achtfachen Pfades, d. h. der ethischen Grundsätze, wie man leben sollte, ermöglicht es, das Leid zu beenden. Dieser Pfad besteht aus drei Teilen:
  • Richtiger Gesinnung – Erkenntnis der edlen Wahrheiten und dem rechten Entschluss, diesen Weg gehen zu wollen)
  • Richtigem Verhalten – richtigem Sprechen und Handeln, richtiger Lebensweise
  • Entwicklung von Spiritualität – einem Bemühen, nicht aufzugeben; richtigem Bewusstsein/richtiger Achtsamkeit und richtiger Meditation

Macht der Mensch sich bewusst, erkennt er die drei ersten edlen Wahrheiten und kann sie auflösen. Der Weg Buddhas ist ein „Weg der Mitte“. Der Mensch kann sich einerseits über sein Verhalten, das seiner Mitmenschen und der Natur bewusst werden. Er verlässt die Welt des Scheins und nimmt die Natur der Dinge wahr. Andererseits kann er sich daraufhin von erkannten Mustern, überschwänglichen Emotionen, Überzeugungen, usw. lösen.

Diese Herangehensweise wird heute übrigens von vielen Psychologen, Therapeuten und Lebens-Coaches übernommen. Prof. Horst Tiwald schrieb über den Buddhismus: „Die Lehre Buddhas selbst ist nämlich überhaupt keine Religion, da es in ihr weder einen Gott gibt, noch eine Abhängigkeit von irgendetwas anderem als von den eigenen Taten. Die Lehre Buddhas ist eher eine praktische Psychologie oder Psychohygiene.“

Quelle: www.wingtsunwelt.com

Text: Dominique Brizin
Fotos: mg

Fühltraining dient der Schulung der Achtsamkeit

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